Y.O.U.

Wenn wir Kinder sind, beschäftigen wir uns nicht mit den großen Fragen des Lebens – es geht nicht darum, wer wir sind, was wir vom Leben möchten oder was die anderen von uns erwarten. Wir SIND einfach – ohne es zu hinterfragen. Beobachte ich heute Kinder, stelle ich immer wieder fest, wie ehrlich sie sind und dass sie auch nur jene Aktivitäten verfolgen, auf die sie Lust haben. Sie tun einfach, was sich für sie in dem Moment gut anfühlt.

Bald werden wir älter und verbringen natürlich die meiste Zeit mit unserer Familie, später dann mit Klassenkameraden, unseren Freunden etc. Unsere Kindheit bringt Glaubenssätze hervor, die sich still und heimlich in uns einpflanzen und uns später – im schlimmsten Fall – beginnen von Innen aufzufressen. Sie prägen uns und auch unser weiteres Leben.

Wenn wir erwachsen sind, dann sind wir es rein körperlich und im Äußeren, im Inneren sind wir alle verletzte und gekränkte Kinder. Die Ausprägung sieht wohl bei jedem ein wenig anders aus. Ich staune immer wieder, wenn ich öfter im Alltag innehalte und meine Reaktionen hinterfrage, wie oft ich mich im Autopiloten befinde. Dann reagiere ich kindlich, ohne es zu merken.
Ich merke auch, wie ich gemäß bestimmter Glaubenssätze handle, die bei vielen oft sogar für lange Zeit im Verborgenem bleiben. „Sei perfekt“, „Mach es allen recht“ oder etwa „Streng dich an“ sind nur einige von ihnen. Das sind nicht nur Sätze, an die wir denken und die uns vertraut vorkommen. Sie lenken unser Leben, weil sie unser Denken und unser Handeln leiten. Damit will ich jetzt nicht aussagen, dass wir alle nur die Summe unserer Glaubenssätze sind, aber ich denke wir sind uns dessen nicht bewusst, wie viel sie unser Leben beeinflussen. Denn – und das ist ein Trugschluss – wir sind erwachsen und haben die Kontrolle über unser Leben und die Kindheit ist vorbei und abgehakt.

Es gibt auch viele Situationen, in denen wir gelernt haben, dass es angemessener ist, sich zu verstellen und entgegen unserer Natur zu reagieren. Da greift dann weder das Kind, noch die Erwachsenen, die wir sind. Wir kopieren ein Verhalten um am Ende unser gewünschtes Ziel zu erreichen. Wenn du zB das Gefühl hast, du kommst im Beruf in einer bestimmten Firma nur voran, wenn du mit Ellbogen und stark ausgeprägtem Konkurrenzdenken agierst und plötzlich zu einem Menschen wirst, der du nicht bist.

Dass wir realisieren, was uns ausmacht, wer wir wirklich sind – wird für mich immer wichtiger und es stellt sich heraus, dass der Prozess wohl auch nie abgeschlossen sein wird. Wir verändern uns konstant, werden uns immer mal wieder überraschen und bestimmt auch mal wieder enttäuschen. Das gehört zum Leben. Zu uns zu stehen, unsere Gefühle anzunehmen, unsere Vergangenheit zu akzeptieren und beginnen unsere Gegenwart und Zukunft selbstbestimmt zu leben – und die düsteren Wolken der Vergangenheit abzuschütteln, das ist eine hohe Kunst. Tja, nichts leichter als das 😉
Auch hier ist es wieder wichtig, dass wir uns Zeit geben – erlernte Glaubenssätze und Verhaltensweisen sind ja auch nicht über Nacht entstanden und begleiten uns zum Teil schon unser ganzes Leben.

Wenn wir uns kennengelernt haben, wie wir wirklich sind und wissen, was uns ausmacht, dann ist es uns auch gelungen, unser Altes Ich und das neue Ich zu vereinen. Der Gedanke hat mich übrigens heute auch auf den Blog-Titel gebracht, passt leider im Englischen sehr viel besser als im Deutschen: Y (Young). O (Old). U (Unite). Vereinen wir also unsere Lebensziele und Wünsche mit den Erfahrungen aus der Vergangenheit und schließen wir mit dem, was war, Frieden, dann haben wir endlich genug Energie ein neues Kapitel aufzuschlagen.

Ich mach mich auf den Weg, wie gehts euch?

Foto Credit: Geralt / Pixabay

Alles Liebe, eure Rox

9 Kommentare

  1. Das Kind in uns zu erkennen, ist ein wichtiger Schritt zur Bewußtwerdung als Mensch und Erwachsener. Und wenn man sein Kind erst einmal erkannt hat, gibt es kein zurück mehr und ein neues Kapitel im Leben beginnt. Gelassenheit und Ruhe zieht ein. Ich bin davon überzeugt, dass das meiste Elend auf der Welt durch gekränkte Kinder in erwachsen scheinenden Menschen ausgelöst wird. Liebe Grüße, Bernd

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    • Danke Bernd! Das Schwere daran für mich ist aus dem Automatismus rauszusteigen und das Kind zu sehen 😉

      Bin bei deinem letzten Satz übrigens zu 100% bei dir, aber das Traurige daran für mich ist, dass ich oft das Gefühl habe, dass diejenigen, die Seelenarbeit und Reflexion am notwendigsten haben, es nicht tun. Alles Liebe, Rox

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      • Ja, der Anfang ist schwer. Ist er erst einmal geschafft, geht es gut. Wenn man einmal die Lücke zwischen Reiz und Reaktion entdeckt hat, hat man die Chance, das innere Kind zu trösten und angemessen nach außen zu reagieren.

        Diese Menschen brauchen einen Impuls von außen, der ihnen ihre Impulshaftigkeit bewusst macht. Ich habe leider das Gefühl, dass es gerade eine Welle der Impulshaftigkeit gibt, die uns leicht mitreißen kann, uns alle.

        Liebe Grüße, Bernd

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  2. Sich Zeit nehmen, ja. Die Ungeduld ist ein ganz großes und schwer zu überwindendes Hindernis. Man muss sich anfangs zwingen, sie auszuhalten, aber je länger man sie aushält, desto stärker und vermeintlich berechtigter scheint sie zu werden.
    Ein undankbares Stück, diese Ungeduld. 😉

    Schön geschrieben und wieder mal sehr wahr. 🙂

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  3. A Indianer kennt kan Schmerz… (=Weine nicht, das wirkt und ist schwach)

    Solche Statements haben uns wohl alle begleitet. Kein Wunder also, wenn manch Erwachsener heute hart und unnahbar wirkt.
    Um aus solchen Habits auszubrechen und dem entgegenzuwirken hilft nur
    -) es sich bewusst machen
    -) gezielt zu hinterfragen
    -) daran zu arbeiten
    Für Selbstreflektion braucht es aber nicht nur den Willen, sondern auch genügend Zeit und Abstand.

    Es scheint, als wärst du auf einem guten Weg. 🤗

    Alles Liebe
    Ingrid

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    • Hallo Ingrid und wie schön, dass du den Beitrag kommentiert hast 🙂 Genau die Zeit und den Abstand, die du erwähnst, benötigt es und keinen Druck, dann passiert auch oft die Reflexion
      von alleine. Danke dir für die lieben Worte ❤ Alles Liebe, Rox

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