„Hörst du sie? Diese ach so vertrauten Trabgeräusche, die näher kommen. Ich sag dir, das ist sie. Heute ist Samstag, das muss sie sein.“ „Oh ja, du hast Recht, ich sehe ihr Gesicht, sie ist es. Sie lächelt. Es dürfte ihr gut gehen.“
Es ist irgendein Samstag diesen Jahres, dessen Vormittag ich in meinem vertrauten Lieblingswald verbringe. Ein perfektes Ritual, um das Wochenende einzuläuten, besteht für mich aus: Wald, Laufen und Ruhe. Gerade letzteres benötige ich, um meine Gedanken wecken und ordnen zu können.
Ich passiere den gelb/blauen Schranken am Eingang des Waldes. Plötzlich nehme ich zwei große Lärchen wahr, die mir sonst nie aufgefallen waren. Ich staune über die menschliche Wahrnehmung und wie wenig – der auf uns einprasselnden Eindrücke – wir letztlich aktiv realisieren. Ich lächle innerlich und atme die Luft bewusst ein und wieder aus und freue mich auf die nächste Stunde nur für mich.
„Sie hat zu uns aufgeblickt, hat sie uns vielleicht gehört? Ich bin gespannt, wie ihre Woche lief und welche Gedanken sie heute mit uns teilt.“
Die Zeit ist für mich so wohltuend als würde ich eine Stunde auf der Couch eines Therapeuten verbringen. Der Wald als mein Therapeut, einfach und effektiv. Das Laufen und die Natur agiert wiederum als meine Muse. Anfangs hatte ich es kaum wahrgenommen, aber mittlerweile ist es ein Ritual geworden. Ich nehme offene Gedanken, Sorgen oder bevorstehende Entscheidungen zu meinen Läufen mit, um sie durchdenken und lösen zu können. Auch die ein oder andere Ideensammlung ist während eines Laufs entstanden.
Woche für Woche, Monat für Monat – bis ein Jahr vorüber ist, gibt mir das Ritual den Halt, die Sicherheit und die Ruhe, die ich benötige. Verlasse ich den Wald, ist es wie ein „Fortsetzung folgt„, das mir hinterher ruft und eine Woche später werde ich mit einem leisen, kaum hörbaren „Willkommen zurück“ begrüßt. Es fühlt sich an, als würde sich jeder einzelne Baum freuen mich wiederzusehen und genauso ergeht es auch mir. Kaum laufe ich auf ihrem Boden beginnt es, mir besser zu gehen. Mit Sicherheit hängt es auch mit dem Dopamin und den anderen Botenstoffen zusammen, die während eines Laufs produziert werden. Trotz alledem gefällt mir die Vorstellung eines Waldes, der sich an uns erinnert und mit einem Teil in uns in Verbindung treten kann.
Ich blicke auf meine Laufuhr, es sind bereits 70 Minuten und ich konnte förmlich fühlen, wie die Endorphine meinen Körper durchfluten, während das gespeicherte Cortisol aus meinem Körper Stück für Stück entweicht. Langsam nähere ich mich dem Schranken beim Waldeingang. „Bis zu unserem nächsten Date“ denke ich, den Blick an die Lärchen richtend, während ich den Hang hinunterlaufe.
„Siehst du, sie hat uns gehört. Aber es scheint sie offenbar nicht zu erschrecken.“
Was ist euer Ritual und lässt euch alles um euch herum vergessen?
Alles Liebe, eure Rox
Schön geschrieben, Waldlauf haben wir früher auch gesagt und ja, ich mag es auch zu laufen, aber ich habe es schon lange nicht mehr gemacht. Ich gehe aber gerene durch die Weinberge spazieren, das ist für mich auch sehr inspirierend. Den Gedanken, dass der Wald ein Bewußtsein hat finde ich schön. Was man so hört stehen die Bäume ja ohnehin über das Myzelnetzwerk in Verbindung und deshalb kann es gut sein, dass Fichte 1 über Buche 2 an die Haupteiche morst, dass Roxy wieder kommt. Dann können sie ihre schönsten Feromone ausschütten.
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Danke dir 🙂 ich finde diese fantasievollen Gedanken schön und auch mystisch. Das vermisst man ohnehin oft im Alltag.
Durch Weinberge spazieren, hört sich auch sehr entschleunigend an 😄
Wünsch dir noch einen schönen Feiertag! Alles Liebe, Rox
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Danke liebe Roxa, das wünsche ich dir auch:-)
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Laufen gehört jetzt seit fast vier Jahren zu meinen wöchentlichen Ritualen, 3x je 10 KM. Wald wäre schön, das Rheinufer tut es auch. Nur nachdenken kann ich beim Laufen nicht und auch keine Musik hören. Um alles um mich herum zu vergessen, gehe ich zweimal die Woche zu meinem Lieblingskaffeeröster, sitze dort eine Stunde, trinke Kaffee, esse ein Stück Kuchen und lese. Nach Hause gehe in der halben Geschwindigkeit des Hingehens, so entspannt mich diese Stunde, macht den Kopf frei für kreative Gedanken. Zum Nachdenken gehe ich spazieren; das Gehen strukturiert die Gedanken und hilft bei einer Rundumsicht. Liebe Grüße, Bernd
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Danke fürs Teilen deines Rituals Bernd 🙂 beim Lesen hatte ich sofort Bilder im Kopf, hört sich nach einem sehr achtsamen Ritual an, da du mehrere Sinne verbindest!
Wenn du es schaffst beim Laufen an nichts zu denken, dann ist das sehr beneidenswert 😉
Schönen Feiertag! Alles Liebe, Rox
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