Persönlich war ich ihr noch nie begegnet, gehört habe ich aber bereits sehr viel Positives über sie: Sie war furchtlos, ging unbeirrt ihren Weg, sie war streng mit sich und anderen, beschützte ihre Liebsten und ihr eigenes Leben mit Haut und Haaren und strahlte unbändige Stärke aus. In sehr seltenen Momenten kam aber auch bei ihr mehr Gefühl und ein wenig Schwäche durch, sie war sozusagen bereits am besten Weg ein wenig sozialisierter zu werden und sich anzupassen. Wenn ich den Erzählungen über sie lauschte, dann überkam mich manchmal ein sehnsüchtiges Gefühl: Warum konnte ich nicht mehr sein wie sie? Geschützt durch einen Panzer durchs Leben gehen, der sich auch langsam lösen kann – aber immer nur in gewissen Momenten, genau dann, wenn einem durch etwas Übernatürliches oder aber auch durch das eigene Bauchgefühl signalisiert wird, dass wir sicher waren und uns selbst und unsere Emotionen in einem sicheren Raum fallen lassen konnten.
Doch je mehr ich drüber nachdachte, desto mehr überkam mich das Gefühl, dass ich sie doch sehr gut kannte und sie sich wohl doch lange Zeit in mir versteckt hatte – unbemerkt hat sie gewaltet, wie es ihr beliebte und ohne, dass ich es merkte.
Wie siehts mit dir aus? Hast du deine innere Kriegerin oder deinen Krieger bereits kennengelernt?
Ich nenne meine Xena, hat sie mich doch sehr beständig durch meine Teenager-Jahre begleitet, bereits damals war sie das perfekte Idol, sie eröffnete die Möglichkeit in eine Welt zu verschwinden, in der man stark und mutig genug war, mit fast allem fertigzuwerden.
Wenn wir jung sind, wissen wir noch recht wenig davon, was im Erwachsenenalter auf uns warten wird. Oft ist das Gepäck, das wir noch aus der Kindheit mit uns herumtragen noch nicht leichter geworden und schon wartet bereits das nächste Gewicht darauf aufgeladen zu werden. Wird ein Nein akzeptiert vom Leben? Wäre eine Antwort, wie „Ich bin noch nicht bereit, schnüre mir das Gewicht in einem halben Jahr drauf“ gültig? Es wird von uns erwartet: Flexibel, schlicht weg anpassungsfähig zu sein – Wir sollen verflixt schnell lernen mit den zusätzlichen Gewichten am Rücken umzugehen, auch wenn wir das Gefühl haben, dass die Last des Gewichts uns förmlich zu Boden drückt und uns den Atem abschnürt.
Und wie gelingt uns das Ausbrechen aus diesem toxischen Kreislauf?
Hier kommt die Achtsamkeit ins Spiel – uns selbst besser spüren und früh genug die Reißleine ziehen. Müssen wir immer furchtlos alles annehmen und schaffen und Tag und Nacht in inneren, gefühlt kriegsähnlichen Zuständen verharren? Müssen wir immer alles tun, was wir schaffen können?
Ich habe in letzter Zeit öfter drüber nachgedacht und würde mich generell als einen sehr reflektierten Menschen beschreiben, doch auch ich sah die Warnsignale diesmal nicht früh genug. Zu vertraut war das übliche Muster: Die Logik und das Denken waren meine ständigen und sehr bekannten Begleiter, ich war auf der Suche nach Antworten und als ich mir eine passende gegeben hatte, war es Zeit weiterzumachen. Abhaken, weitergehen – was bereits in Kindheitstagen funktioniert hat, würde mir doch auch jetzt helfen oder etwa nicht? Ohne Frage: Eine gewisse Art von Überlebensmodus musste ich als Kind an den Tag legen, doch diese Zeiten waren vorbei, viel mehr ging es jetzt darum, zu erkennen, wann ich Ruhe brauchte und vor allem, wann es Zeit war Schwäche zu zeigen und um Hilfe zu bitten. Es wird Zeit auf mein Herz zu hören und die leise Stimme öfter zu Wort kommen zu lassen.
Als ich gedanklich die letzten Jahre noch einmal durchspielte, wurde mir sehr schmerzhaft bewusst, wie sehr meine Energiereserven angezapft wurden und wie viel Einschneidendes, Aufwühlendes und Negatives passiert war.
Was mache ich nun mit Xena?
Sie ist ein Teil von mir und sie zu leugnen oder gar wegzusperren, wäre mit Sicherheit nicht der richtige Weg. Mich brachte es schon einen großen Schritt weiter überhaupt von ihrer Existenz zu erfahren. Bis vor kurzem war mir nicht bewusst, dass sie die letzten Jahrzehnte entstanden war und unbändige Stärke entwickelt hatte – vor allem wenn es darum ging sich in mir Raum zu nehmen und das Ruder an sich zu reißen. Sie ist ein Ass im Ärmel und ich bin froh, dass sie da ist, aber in Zukunft wird es darum gehen, sie gezielt zu treffen und „einzusetzen“ und mich dann auch wieder von ihr abzuwenden, wenn es an der Zeit ist, meinem Herz mehr Zeit zu geben und meine Gefühle bewusst zuzulassen.
Alles Liebe, eure Rox
Foto Credit: sarahfelde/Pixabay