Die Kunst des Lebens

Was geht in dir vor, wenn du Kunst siehst? Wenn es dir wie mir ergeht, dann gibt es Stücke, die dich zum Träumen bringen und die du dir minutenlang ansehen kannst und dich in eine andere Welt abtauchen lassen. Dann gibt es wiederum Kunstwerke, die nichts in dir auslösen und die du mit einem völlig neutralen, um nicht zu sagen völlig gleichgültigen, Gefühl betrachten kannst.
Erst letztens habe ich mich gefragt, wie die Kreativprozesse bekannter Maler aussahen? Welche Erwartungen hatten sie an ihre Kunstwerke? Setzten sie sich an die weißen Leinwände und malten genau das Bild aus ihrer Vorstellung ab? Oder aber begannen sie frei und ungezwungen ein kreatives Werk zu schaffen ohne das Endresultat vorab im Kopf zu haben? Was musste das für ein unglaublich befriedigendes Gefühl sein, wenn man selbst am Ende vom Ergebnis überrascht wird.

Mir gefällt die Vorstellung, dass jedes unserer Leben ein eigenes Kunstwerk für sich ist. Und wir der Maler oder die Malerin unseres Unikats. Wir selbst bestimmen, welche Farben und Formen wir auswählen und in welcher Intensität wir sie auf unserer Leinwand zum Leuchten bringen. Welche Geschichte soll unsere Arbeit erzählen? Es kann durchaus möglich sein, dass die Farbauswahl auf der Leinwand variieren wird. Auch die Linien, die gesetzt werden, können manches Mal sehr wild, chaotisch und fast schon energisch gemalt werden, während ein anderes Mal ein harmonischer, softer und leichtfüßiger Stil gewählt wird. Es gibt kein Richtig und kein Falsch und es gibt auch kein „So sollte es gemacht werden, damit es richtig ist.“ Wenn es sich für uns gut anfühlt, dann wird daran nicht gerüttelt.

Auch in welcher Geschwindigkeit wir an unserem Kunstwerk malen, bleibt völlig uns überlassen. Nur wir können wissen, wann natürliche Pausen notwendig sind und ab wann wir wieder Fahrt auf nehmen in unserem Kreativprozess. Während es Menschen geben mag, die binnen kürzester Zeit die Hälfte ihres Kunstwerkes vollendet haben, mag es Zeiten geben, in denen sie nie mehr als eine Linie pro Tag schaffen, eben weil die Kreativität aktuell nicht fließen mag. Doch es gibt hier kaum Regeln. Die einzige, die es gibt, ist: Zwinge dich nicht, an deinem Werk weiterzuarbeiten, wenn dir gerade nach einer Pause ist und du das Gefühl hast, du müsstest es erzwingen. Denn glaube mir, du wirst es merken, wenn deine Energie wieder fließt und du dich voller Motivation und Tatendrang mit einem Leuchten in den Augen vor deine Leinwand setzt und die Ideen wie wild aus dir strömen.

Wofür ist denn diese Pause eigentlich gut? Wir Menschen, die wir getrimmt auf Leistung sind, gehen fälschlicherweise davon aus, dass sie Faulheit bedeutet. Doch wir brauchen diese Pausen, um unsere Schaffensenergie auch wieder aufladen zu können. Eine Zeit, in der wir nicht malen, kann dann zum Beispiel genutzt werden, um die vergangenen Wochen, Monate oder sogar Jahre zu reflektieren und auf die Vergangenheit zurückzuschauen. Ich stelle bei mir in letzter Zeit fest, dass ich diese Phasen benötige, um mich wieder vollzutanken, für alles, was in der Zukunft auf mich zukommt. Und wie sieht es jetzt mit den faulen Pausen aus, dürfen die denn nicht sein? Wenn wir gesund bleiben möchten, dann sollten wir unbedingt lernen unser System ab und an herunterzufahren. Was selbstverständlich schwierig ist, ist den richtigen Moment für den Wiedereinstieg zu finden. Wann nehmen wir die Pinsel wieder in die Hand und ab wann ist die Schaffensenergie wieder voll aufgeladen? Was mir hier hilft: Sobald ich wieder neugierig werde und das Kribbeln in der Bauchgegend fühle, weiß ich, es ist wieder Zeit zu starten.

Als letzten Punkt möchte ich den für mich wichtigsten nennen: der Vergleich mit anderen Kunstwerken. Wäre es denn sinnvoll, wenn wir die Künstler der letzten Epochen miteinander vergleichen und einen Gewinner nominieren? Ich bin mir sicher, dass auch ihr hier vehement mit dem Kopf schüttelt. Doch sobald es um unsere eigenen Leben und Kunstwerke geht, finden wir es völlig normal, immer zu unseren Nachbarn zu schielen und dann unser eigenes Werk abzuwerten und für nicht gut genug zu befinden. Die Striche auf den anderen Werken sehen irgendwie anders aus. Ach, diese Farben sehen toll miteinander aus, warum habe ich sie nicht verwendet, und so weiter und so fort. Ich bin mir sicher, dass ihr dieses Konkurrenzdenken auch kennt.
Doch was dabei mit unserem eigenen Kreativprozess passiert, das nehmen wir in Kauf. Wir hemmen unsere eigene Energie, pfuschen in unseren heiligen Schaffensprozess hinein und werden höchstwahrscheinlich damit am Ende unser eigenes Endresultat schmälern. Denn unser Kunstwerk repräsentiert nicht mehr unser authentisches Ich, sondern enthält auch viele Kopien unserer Mitmenschen, die wir einfach so gemalt hatten, weil wir dachten, wir bräuchten sie, damit unser Werk komplett ist.

Mein Appell geht an mich selbst, aber auch an alle, die diese Zeilen lesen: Hören wir auf in unsere eigenen Kreativprozesse einzugreifen und vertrauen wir auf die Kraft unseres Kunstwerkes.

Alles Liebe, eure Rox

Foto Credit: Pixabay/eluela31

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